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Projektbezeichnung: A49 Neubau von Neustadt - A5
Bundesland: Hessen
Kategorie: Strasse
Zeitraum: 1997- 2025
Projektdossier:  A49.pdf

Kurzinfo:

Bei Stadtallendorf und im Dannenröder Forst führt die geplante A49 durch ein Trinkwasserschutzgebiet (Zone I und Zone II) und unmittelbar entlang mehrerer dort befindlicher Trinkwasserbrunnen, die in Mittelhessen rund 500.000 Bürger*innen mit Trinkwasser versorgen.

Das Trinkwasserschutzgebiet ist immer noch von Altlasten durch das Sprengstoffwerk Stadtallendorf aus der NS-Zeit betroffen. Das Durchdringen von belasteten Partikeln aus kontaminiertem, oberflächennahem Wasser in Grundwasserschichten wird mittels eines komplexen Schutzsystems verhindert. Der Trinkwasserschutz ist gerade hier von besonderer Bedeutung

Der BUND hat nach dem 1. Urteil von 4/2014 im Jahr 2020 eine erneute Klage vor dem BVerwG erhoben, um den Planfeststellungsbeschluss wegen des Verstoßes gegen das Verschlechterungsverbot der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) anzugreifen. Die beauftragte Kanzlei argumentierte in der mündlichen Verhandlung rein formal und kritisierte den vorhandenen Fachbeitrag nach der WRRL. Auf Nachfragen der Vorsitzenden Frau Dr. Bick wurden keine inhaltlichen Argumente oder Indizien dafür benannt, dass es in den Oberflächengewässern der Klein und der Ohm (bzw. den nach der WRRL relevanten Oberflächenwasserkörpern) zu Verschlechterungen kommt. Die Klage wurde daher mit Urteil vom 23.6.2020 abgewiesen. Das BVerwG ging davon aus, dass im Rahmen der Ausführungsplanung die wasserrechtlichen Probleme lösbar sind.

Als Folge der mündlichen Verhandlung wurde die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) beauftragt einen wasserrechtlichen Fachbeitrag erstellen zu lassen. Dieser wurde am 30.09.2020 durch das Fachbüro ahu GmbH Wasser Boden Geomatik aus Aachen vorgelegt. Das Ergebnis war, dass der Gutachter Verschlechterungen im Oberflächenwasser- und Grundwasserkörper ausschloss.

Aufgabenstellung:

RegioConsult begleitet die Planung der A49 seit 28 Jahren. Durch die Einwendungen, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vorgetragen wurden, konnte zwar der Bau der Autobahn nicht verhindert werden. Es ist aber gelungen, erhebliche Verbesserungen für den Naturschutz zu erreichen, wie beispielsweise für den besonders betroffenen Kammmolch- und Fledermäuse.
Oktober 2020:
RegioConsult wurde vom Aktionsbündnis „Keine A49“ mit einer Stellungnahme zum „Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie für den Neubau der A 49, Stadtallendorf – Gemünden (VKE 40)“ beauftragt, der von der ahu GmbH erstellt worden ist.
Im Juli 2020 hatte der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) die Empfehlung an die (DEGES) gerichtet, die wasserrechtlichen Belange erneut zu prüfen. Da die (vorher unbeachtete) EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bereits seit 2000 gilt und mit der WHG-Novelle 2009/2010 in das bundesdeutsche Wasserrecht umgesetzt wurde, wäre bereits 2010 eine Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes der Wasserrahmenrichtlinie in allen Fachplanungen zu beachten gewesen. Mit dem EuGH-Urteil vom 1.7.2015 wurde dies auch höchstrichterlich bestätigt.
März 2021:
Erneute Stellungnahme zum Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie, dieses Mal im Auftrag der Parlamentsfraktion „DIE LINKE“ Hessen.

Ergebnis:

Die Auswertung von RegioConsult ergab, dass der Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie erhebliche Mängel aufweist. Nachfolgend werden einige Mängel dargestellt.
Das Ergebnis der Auswertung von RegioConsult des nach nur drei Monaten Bearbeitungszeit vorgelegten Fachbeitrags zur WRRL, der ahu GmbH ist, dass er entscheidungserhebliche Mängel aufweist, die vor Baubeginn geheilt werden müssen:

  1. Die Datengrundlagen für die biologischen und hydromorphologischen Qualitätskomponenten sind veraltet, sodass keine Beurteilung möglich war, ob es zu einer Verschlechterung kommen kann.
  2. Der geplante Eingriff ins Grundwasser ist nicht anhand der Bauentwürfe ermittelt worden, es liegen nur Abschätzungen dazu vor. Das Risiko für den Förderbrunnen FB 28 westlich der Gleentalbrücke wird als hoch eingestuft. Ein Eintrag von Schwebstoffen und Schwermetallen wird prognostiziert.
  3. Da eine Verunreinigung des Grundwassers erwartet wird, sollen nach Schadenseintritt mobile Grundwasserreinigungsanlagen „Schlimmeres“ verhüten.
  4. Obwohl ahu 2019 in der aktuellen Risikostudie zur A49 ein Grundwassermonitoring empfohlen hatte, sind nicht alle Werte aus dem Jahr 2019 im Fachbetrag zur WRRL berücksichtigt worden.
  5. Es wäre notwendig gewesen, auch die möglichen Auswirkungen der Klimaveränderungen auf den mengenmäßigen Zustand des Grundwassers zu ermitteln. Denn dadurch kann es zu einer signifikant geringeren Grundwasserneubildung kommen.
  6. Die nicht durchgeführte Erfassung sehr vieler Schadstoffkomponenten nach Anlage 8 der Oberflächengewässerverordnung (2016) und Anlage 2 der Grundwasserverordnung (2010) ist nicht tragbar.
  7. Der geplante Abwehrbrunnen im PFB (A39B bei Niederklein) ist zu weit vom Vorhaben entfernt, was Ahu in der Risikoanalyse auch festgestellt hat. Alternative Abwehrbrunnen (A47B oder A48) wurden zwar empfohlen, sind aber nicht planfestgestellt.
  8. Bezogen auf den Oberflächenwasserkörper ist es ein gravierender Mangel der Planung, dass weiterhin in die WSZ II eingeleitet werden sollte. Dies war nach der Unterlage westlich der Todtenmühle in der Nähe der Brunnen von Stadtallendorf West geplant, obwohl dies nach den Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten (RiStWag) nicht erlaubt ist und der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke (ZMW) 2012 die Verlängerung der Fernableitung bis zur WSZ IIIb verlangt hatte.
  9. Es liegt eine fehlerhafte Berechnung für Benzapyren vor, wo der Gutachter die Belastung in der Einheit Nanogramm angibt, obwohl üblicherweise Belastungen im Mikrogrammbereich auftreten. Hier liegt ohnehin eine Überschreitung des Grenzwertes vor (ubiquitär). Trotzdem folgert die Planung fehlerhaft, dass weitere Überschreitungen hinnehmbar sind.
  10. Das Verschlechterungsverbot nach der WRRL bzw. § 27 und § 47 WHG gilt auch unabhängig von der Trinkwassergewinnung, was in der Planung (vgl. PFB) verkannt wurde.

Wie der Gutachter schon in der Risikoanalyse von 2006 zu Recht festgestellt hat, sind für die Untersuchungen der Auswirkungen auf das Grundwasser keine Datengrundlagen aus Grundwassermessungen vorhanden. Diese müssen über längere Zeiträume erfolgen. Um die Auswirkungen beurteilen zu können, ist ein Grundwassermodell erforderlich, wie es bei anderen Straßenbauprojekten auch zum Einsatz gekommen ist. Dabei muss die zukünftig durch den Klimawandel zu erwartende, geringere Grundwasserneubildung berücksichtigt werden sowie die Herkunft des Grundwassers, das Einzugsgebiet und die Zuflussgeschwindigkeit bestimmt werden.

November 2020:
RegioConsult wandte sich in mehreren Schreiben an die Fraktionsvorsitzende der CDU Hessen Ines Claus, Hessens Innenminister Peter Beuth und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, um persönlich auf die Mängel des Fachgutachtens zum Wasserschutz, mit der Bitte um Prüfung der vorgelegten Argumente und einstweiligen Rodungsstopp, aufmerksam zu machen.

Im November 2020 erfolgte auch eine Erwiderung der ahu GmbH. Dabei konnten die wesentlichen Kritikpunkte nicht ausgeräumt werden. Insbesondere die Behandlung des Schadstoffes Benzapyren zeigte, dass von einer Überschreitung des Grenzwertes ausgegangen werden musste. Diese geht vor allem auf die Verwendung von zu geringen Ausgangswerten von Benzapyren zurück. Bei der Berechnung der Zusatzbelastung im Straßenabwasser ist die Ingenieurgesellschaft für Stadthydrologie (Ifs, Dr.-Ing. Grotehusmann) in der Veröffentlichung von 12/2017 für den Straßenabfluss noch von einer hohen Belastung von 0,5 μg/l ausgegangen. Ahu bezieht sich aber auf die deutlich geringeren Werte für den Straßenabfluss von nur 0,18 μg/l (mittlere Belastung) und 0,36 μg/l (hohe Belastung). Bei realistischen Belastungen kommt es zu relevanten Erhöhungen über den Grenzwert der UQN der OGewV hinaus. Zudem wurde auf die Daten einer weit entfernten Messstelle (Mündung der Ohm bei Bernsdorf-Cölbe bei Marburg) zugegriffen und nicht auf die nahegelegene Messstelle der Klein bei Niederklein. Angaben zur Klein und zur Oberen Ohm gibt es im Fachbeitrag für Benzo(a)pyren nicht. Nach Berechnungen von RegioConsult ergibt sich für die Klein eine Schadstoffkonzentration nach Einleitung von 0,00187 μg/l, dies entspricht einer Zunahme gegenüber der Ausgangskonzentration von 0,000185 μg/l. Die für die Untere Ohm erwartete Konzentration liegt mit 0,00171 μg/l deutlich über der JD-UQN (Grenzwert) von 0,00017 μg/l.

Im Trassenbereich an der Gleentalbrücke waren bis 3/2021 keine Sicherungsbrunnen vorhanden, sodass im Falle einer Grundwasserverunreinigung eine Ausbreitung der Schadstoffe nicht verhindert werden kann.

Die Aussage von Ahu von 2021, dass Sicherungsbrunnen bereits errichtet wurden ist fehlerhaft. Bei den genannten „Abwehrbrunnen“ handelt es sich lediglich um Grundwassermessstellen. Eine Beschreibung der technischen Umsetzung der temporären Umfunktionierung der Messstellen zu Abwehrbrunnen liegt bis heute nicht vor.

Ahu behauptete, dass „die Abwehrbrunnen A39B, A47B und A48 [...] bereits im Jahr 2006 errichtet worden“ seien und schon vor der Planfeststellung vorhanden waren. Diese Aussage von ahu übersieht, dass der im Planfeststellungsbeschluss festgestellte Abwehrbrunnen A 39B, aufgrund seiner Lage nach der Risikostudie von ahu von 2019 nicht als Abwehrbrunnen geeignet ist. Die Aussage von ahu in der Erwiderung, dass die in der Risikostudie 2019 empfohlenen Messstellen A47B und A 48 schon als Brunnen vorhanden seien, ist nicht zutreffend.

Die Reaktion des Bundesland Hessen:
Die Landesregierung geht nicht auf die Kritik am Wasserschutzgutachten ein. Die Hessische CDU-Landtagsfraktion verweist auf die bestehende Rechtsgültigkeit des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.2020. Das Gerichtsurteil kritisierte zwar die wasserrechtlichen Prüfungen, erklärte den Planfeststellungsbeschluss aus 2012 aber weiterhin für bestandskräftig.

Das Hessische Verkehrsministerium war nach eigenen Aussagen lange mit der Prüfung des Gutachtens von RegioConsult über dem Fachbeitrag Wasser-Rahmen-Richtlinien beschäftigt und weist die Kritik Ende November überwiegend zurück, es werden nur „Detailfehler“ (fehlerhafte Karte zur Fernableitung der Straßenabwässer) zugegeben. Die Rechtskraft der Urteile des BVerwG wird bekräftigt.

Währenddessen wurde der Dannenröder Forst von der Bundespolizei Ende 2020 geräumt, sodass die, dem Bau der A49 vorrangehenden, Rodungsarbeiten abgeschlossen werden konnten.

Aus fachlicher Sicht hätte das Verkehrsministerium Hessen das Gutachten der ahu GmbH zur Prüfung der Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie zurückweisen müssen. Anfang 2021 wurde lediglich beschlossen die Obere Wasserbehörde bei der Ausführungsplanung zu beteiligen. Deren aktuelle Stellungnahme bestätigt dabei die Ergebnisse von RegioConsult hinsichtlich der Einleitung der Straßenabwässer in die Klein und die Behandlung der Schwellenwerte der Grundwasserverordnung. Allerdings wurde nicht erkannt, dass die biologischen Qualitätskomponenten hätten bewertet werden müssen. Die Grenzüberschreitung bei den Benz(a)pyren wurde ebenfalls nicht beachtet, ebenso wenig die fehlende Berechnung der Belastung für die Klein.
Rechtsanwalt Deppner (Berlin) hat einen Wasserrechtsantrag an die Planfeststellungsbehörde gerichtet, in dem die noch vorhandenen Defizite des Gutachtens der ahu GmbH aufgeführt sind, die noch abgestellt werden müssen.

Im August 2021 wurde für den Landwirt Simmer aus Maulbach mit einer Berechnung nachgewiesen, dass der Grenzwert für Benzapyren durch das Straßenabfluss in Ohm und Klein überschritten werden wird.

Das BVerwG forderte im Gerichtsverfahren das Land Hessen in der Folge auf, den Sachverhalt mit einer ergänzenden Untersuchung aufzuklären. Dieses Gutachten wurde laut Pressemitteilung von Minister Al Wazir) vom 30.11.2022 in Auftrag gegeben und erst Mitte 2024 mit dem Endbericht der ahu GmbH vorgelegt.

Die Öffentlichkeit wurde davon nicht unterrichtet. Aufgrund der fachlichen Kritik von RegioConsult mussten 5 Beckenanlagen kurzfristig zu drainierten Versickerungsanlagen umgebaut werden, die dieselbe Filterwirkung haben, wie die bereits 2020 von RegioConsult geforderten Retentionsbodenfilter. Der Endbericht der ahu GmbH ist vom November 2024, sodass sich daraus die Erklärung der Verschiebung der Eröffnung der A 49 ergibt, die für Ende 2024 geplant war, aber erst am 21.3.2025 erfolgte.

Im Bericht der Ausführungsplanung, die vom renommierten Büro Fischer Teamplan durchgeführt wurde, heißt es: „Gemäß der Frachtaustragsberechnungen, die im Rahmen des Gewässerverträglichkeits-Nachweises [2] durchgeführt wurden, wird das Verschlechterungsverbot des Gewässerzustands mit den geplanten 12 RWBA nicht eingehalten.“ S. 8
Der im Zitat genannte Gewässer Verträglichkeitsnachweis ist die Untersuchung von ahu von 2024, die aufgrund der Kritik von RegioConsult neu entstanden ist.

Zur Lösung der Problematik hat Fischer Teamplan fünf Beckenanlagen so umgeplant, dass sie eine Filterwirkung haben, wie die von RegioConsult geforderten Retentionsbodenfilteranlagen. Deshalb wurden die Planung der Becken UJ, S, K, D. West, O vollständig überarbeitet.

„Nach dem FGSV-Merkblatt „Berücksichtigung der Wasserrahmenrichtlinie in der Straßenplanung“ kann für dränierte Versickerungsbecken die gleiche Reinigungsleistung wie für RBFA angesetzt werden. In den bestehenden RRB sollen deshalb Filteranlagen nachgerüstet werden, damit die RRB in der Funktionsweise einem drainierten Versickerungsbecken (VB) entsprechen. Der geplante Aufbau der Filteranlagen sowie die Anforderungen an die Bemessung und die Konstruktion werden in den folgenden Kapiteln beschrieben.“ S. 9 bei Fischer Teamplan.

In den Schlussfolgerungen von Fischer Teamplan auf S. 36, 37 heißt es: „Die Einhaltung der erforderlichen Rückhaltevolumen und der Freibordhöhe von mindestens 0,5 m sind nach den Umbaumaßnahmen durch Vermessung nachzuweisen.“ Ob diese Vermessung schon stattgefunden hat, ist der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt gegeben worden.

Was allerdings nicht mehr geändert werden konnte, ist die Fernableitung des Straßenabwassers im Wasserschutzgebiet Zone II an der Todtenmühle enden zu lassen. Diese Einleitung widerspricht dem gültigen Regelwerk der Richtlinie für den Straßenbau in Wassergewinnungsgebieten (RiStWag), wonach eine Einleitung der Schadstofffracht in der Schutzzone II nicht erlaubt ist.

Vollständige Verkehrsfreigabe der A49 erst nach der Umsetzung der geänderten Entwässerungsplanung mit Boden-Versickerungsbecken am 21.3.2025 und damit mehrere Monate später als geplant.

1Vgl. HMWVL (30.5.2012): PFB für den Neubau der Bundesautobahn A 49 Kassel-A 5, VKE 40, S. 482

Kartenmaterial:

Kooperationen: //

Auftraggeber:

Aktionsbündnis „Keine A49“
Parlamentsfraktion „DIE LINKE“ Hessen
Landwird Simmer